„Wenn sich alle (am Arbeitsplatz) wohlfühlen, geht alles gleich viel einfacher“
Am 18. April 2023 fand unser zweites jährliches BGFZ.Forum bei der IHK in Zwickau statt. Rund 60 Gäste tauschten sich mit uns zum Thema „Gesundes Miteinander im Unternehmen“ aus und gingen der Frage auf den Grund, ob ein gutes Betriebsklima durch Klartext oder Samthandschuhe erzeugt wird. Die Antwort lesen Sie hier.
Nach vielen Wochen intensiver Planung und Vorbereitung war es am 18. April endlich so weit: Unser zweites jährliches BGFZ.Forum konnte bei der IHK in Zwickau stattfinden. Das Team der BGF-Koordinierungsstelle war schon am Vormittag vor Ort. Kurz nach 12 Uhr waren die letzten Vorbereitungen abgeschlossen und die Vorfreude stieg bei allen Beteiligten.
Trotz des typischen April-Wetters trafen kurz nach 12.30 Uhr die ersten bestens gelaunten Gäste ein und der Sachsensaal füllte sich schnell. Bei einem gemeinsamen Kaffee entstanden gleich erste Gespräche und man konnte sich mit alten und neuen Bekannten vernetzen.
Pünktlich um 13 Uhr war der Saal mit über 60 Teilnehmenden bis fast auf den letzten Platz besetzt und unser Moderator Sören Schlegel (AOK PLUS) konnte die Veranstaltung eröffnen.
Direkt im Anschluss begrüßte Herr Torsten Spranger stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Geschäftsführer der IHK Regionalkammer Zwickau die Anwesenden. In seiner Rede nahm er direkten Bezug zum Titel der Veranstaltung und betonte, dass sowohl Klartext als auch „Samthandschuhe“ für ein gesunden Miteinander im Unternehmen wichtig sind. Dabei sollte ein ausgewogenes Verhältnis gefunden werden, welches den Austausch auf Augenhöhe fördert.
Auch Herr Mario Müller, zweiter Beigeordneter des Landrates des Landkreises Zwickau, wies in seinem Grußwort darauf hin, dass weiche Führungsthemen wie ein gesundes Miteinander für die Privatwirtschaft ebenso wichtig sind wie für den öffentlichen Sektor. Dabei sollte man regelmäßig versuchen, seine Perspektive zu wechseln, um sich in den Gegenüber hineinversetzen zu können und sich besser zu verstehen.
Der anschließende Keynote-Vortrag von Frau Dr. Gabriele Albrecht-Andrassy bot den Teilnehmenden direkt die Gelegenheiten für einen solchen Perspektivwechsel. Zur Überraschung aller Beteiligten eröffnete Frau Dr. Albrecht-Andrassy ihren Vortrag mit einer Auflistung verschiedener Multiplikations-Aufgaben. Dem aufmerksamen Zuschauer fiel direkt auf, dass einige davon nicht korrekt gelöst waren. Die eindeutige Reaktion des Publikums: „Das ist falsch“.
Und genau diese Reaktion war zu erwarten. Während es uns bei einfachen Rechenaufgaben leichtfällt, deutlich zu sagen, dass etwas nicht korrekt ist, versuchen wir diese direkte Aussage bei anderen Fehlern oft zu vermeiden, um den Gegenüber nicht zu kränken oder einen möglichen Konflikt zu vermeiden. Dieses Phänomen begegnet uns auch häufig im beruflichen Alltag. Der Ausdruck von Lob erscheint wesentlich einfacher als das offene Aussprechen von Kritik. Doch immer nur zu loben bringt wenig Entwicklungspotenzial bei den Mitarbeitenden hervor. Interessant ist dabei auch, dass verschiedene Generationen am Arbeitsplatz völlig unterschiedlich mit Lob, Wertschätzung und Kritik umgehen. Aktuell treffen am Arbeitsplatz bis zu vier Generationen aufeinander.
Jeder dieser Generationen werden bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Den Baby-Boomern wird bspw. nachgesagt, dass sie nur Leben um zu arbeiten und das Motto vertreten: „Mit Disziplin, Fleiß und Ausdauer kannst du etwas erreichen.“. Für die Generation X ist eine ausgewogene Work-Life-Balance deutlich wichtiger und sie streben nach Selbstbestimmung. Die aktuell jüngsten Arbeitnehmer:innen der Generation Z wollen hingegen möglichst viel verdienen und dabei am liebsten gar nicht mehr arbeiten. Doch treffen diese Eigenschaften wirklich auf alle Vertreter:innen der Generationen zu? Die klare Antwort von Frau Dr. Albrecht-Andrassy: „Nein!“. Die o.g. Eigenschaften sind lediglich Vorurteile, die zur Bildung von Stereotypen und vorschnellen Urteilen führen. Diese können den Austausch und die Zusammenarbeit der Generationen negativ beeinflussen und dazu führen, dass man sich unverstanden fühlt. Folglich sinkt auch das Wohlbefinden am Arbeitsplatz und das Betriebsklima verschlechtert sich. Konflikte, erhöhte Fehlzeiten, mangelnde Produktivität und Fehler können die Folge sein. Alles Faktoren, die einem Unternehmen teuer zu stehen kommen können. Wer dies vermeiden möchte, sollte stattdessen die Unterschiedlichkeit der Generationen und Individuen als Chance betrachten, diese gezielt zum Vorteil für das Unternehmen nutzen und aktiv für ein gesundes Miteinander auf Augenhöhe sorgen.
Wie das in der Praxis gelingen kann, wurden in der anschließenden Podiumsdiskussion erörtert. Mit dabei: Herr Wolfgang Dorn (Stadthalle Limbach-Oberfrohna), Frau Franziska Brendel (Beraterin, Trainerin und Mediatorin), Frau Anne Kutzner (GAFUG Bildungsgesellschaft mbH) und Herr Frank Demmler (Autoservice Demmler). Moderiert wurden die Runde von Herrn Prof. Dr.-Ing. Michael Uhlmann (BGF-Koordinierungsstelle Zwickau).
Nachdem sich alle Diskutant:innen kurz vorgestellt hatten, berichteten sie zunächst, was sie selbst unter Betriebsklima verstehen und wie sie dieses in ihren eigenen Unternehmen einschätzen. Herr Dorn stellte ganz direkt fest: „Das müssen Sie meine Mitarbeitenden fragen“. Denn die Mitarbeitenden können das Betriebsklima vermutlich besser einschätzen, als der/die Vorgesetzten. Ergänzend wurde angemerkt, dass sich ein gutes Betriebsklima und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit vor allem in stressigen Phasen bemerkbar und bezahlt machen. Ob die Mitarbeitenden grundsätzlich nach dem Motto „Zuckerbrot und Peitsche“ geführt werden sollten, stieß auf kontroverse Meinungen. Während ein Teil der Diskutant:innen dieses Vorgehen befürwortet, merkte Frau Brendel kritisch an, dass „Zuckerbrot und Peitsche“ nach wenig Wertschätzung und Vertrauen klingt. Diese beiden Faktoren sind jedoch von großer Bedeutung, wenn es um ein gesundes Betriebsklima und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe geht. Einigkeit herrschte dann wieder bei der Frage „Wie entsteht denn ein gutes Betriebsklima?“. Für die Teilnehmer:innen der Podiumsdiskussion ist dies in erster Linie eine Frage guter Führung. Engagierte Führungskräfte sollten Interesse für ihre Mitarbeitenden aufbringen, deren individuelle Charaktereigenschaften kennen und schätzen und sich aktiv für ein gesundes Miteinander einsetzen. Frau Kutzner, Herr Demmler und Herr Dorn setzen dies in ihrem eigenen Arbeitsalltag um, indem sie ihren Mitarbeitenden regelmäßig die Gelegenheit für offene Gespräche bieten, Feedback geben und verschiedene Rituale, wie bspw. Teamevents durchführen. Aus ihrer Perspektive als Beraterin und Trainerin ergänzte Frau Brendel, dass auch vermeintlich kleine Dinge, wie Geburtstagsglückwünsche oder das tägliche „Guten Morgen“-sagen zu einem guten Betriebsklima und damit zum Wohlbefinden der Mitarbeitenden beitragen. Schlussendlich resümierten die Diskutant:innen: „Wenn sich alle (am Arbeitsplatz) wohlfühlen, geht alles gleich viel einfacher“. Um ein gesundes Miteinander zu schaffen, sollte es aber nicht „entweder Klartext oder Samthandschuhe“ heißen, sondern „sowohl als auch“. Denn jeder Mitarbeitende tickt anders und sollte je nach Situation auf eine möglichst empathische Art und Weise angesprochen werden. Wichtig ist dabei aber, dass auch Kritik offen angesprochen werden darf und Dinge nicht beschönigt werden, denn nur so ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich, in der sich jede:r individuell entfalten und weiterentwickeln kann.
Nach diesen spannenden Erkenntnissen wurde es höchste Zeit für einen offenen Austausch. Während der Vernetzungspause hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich mit gesunden Snacks zu stärken und dabei die ersten Eindrücke der Veranstaltung zu diskutieren.
Im zweiten Teil des BGFZ.Forum wurde es interaktiv. Unsere Gäste konnten an zwei von drei angebotenen Workshops teilnehmen und sich dort mit Expert:innen und anderen Interessierten zu folgenden Themen austauschen:
- Thema 1: Umgang mit Kritik – einfach sagen was mich nervt?
- Thema 2: Altersgemischt, gesund und produktiv im Team arbeiten – ein Selbstläufer?
- Thema 3: Auszubildende motivieren – aber wie?
Im ersten Workshop sprachen Frau Franziska Brendel (Beraterin, Trainerin und Mediatorin) und Frau Luisa Sieloske (BGF-Koordinierungsstelle Zwickau) über den richtigen Umgang mit Kritik am Arbeitsplatz. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob man einfach alles offen aussprechen sollte, was einen nervt oder ob auch hier lieber wieder die Samthandschuhe ausgepackt werden sollten. Los ging es mit der Frage in die Runde: „Wem fällt es schwer, Kritik offen zu äußern?“. Zögerlich zeigten sich einige Wortmeldungen - „Mir fehlen oftmals die richtigen Worte“, „Ich möchte niemanden verletzen“ oder „Ich möchte nicht, dass ich durch die kritischen Äußerungen auch selbst kritisiert werden“. All das sind nachvollziehbare Blickwinkel. Anderen Teilnehmenden fällt es hingegen gar nicht schwer, die Kritik einfach frei heraus zu äußern. „Ich nehme kein Blatt vor den Mund und sage alles gleich ohne vorher darüber nachzudenken frei heraus – das kommt aber vielleicht auch manchmal sehr verletzend bei meinen Mitarbeitenden an.“ Genau hier setzte Frau Brendel an: Kritik und Feedback zu äußern ist für ein gutes Zusammenarbeiten im Team essentiell wichtig – denn nur so kann man sich weiterentwickeln. Wenn Kritik nicht geäußert wird, dann führt das beim Sender zu Unzufriedenheit und zum Aufstau der negativen Ansichten. Dabei ist aber wichtig: Feedback sollte konkret, authentisch und nicht von oben herab geäußert werden! Hierbei kommt es auf die richtige Wortwahl an, denn: „Worte können Mauern sein oder Fenster“. Um das Feedback wertschätzend zu kommunizieren und damit die Fenster zu öffnen, gestaltete Frau Brendel bildlich einzelne Schritte, die in der Praxis helfen können:
- Innehalten und auch mal ausharren – Bin ich gerade in der Stimmung für eine Aussprache?
- Einen angstfreien Raum bieten – Feedback macht oft Angst, daher sollte achtsam mit dem Gegenüber umgegangen werden.
- Beobachtung statt Bewertung - Eine möglichst reine, neutrale Beobachtung, die weder Urteile noch Interpretationen oder Verallgemeinerungen enthält, erhöht die Chance, dass unser Gegenüber kooperationsbereit ist und uns offen zuhört.
- Gefühle und Bedürfnisse äußern – „Ich-Botschaften“ verwenden und die eigenen Gefühle äußern, ohne den Gegenüber damit anzugreifen.
- Feedback im Dialog äußern – Kommunikation ist keine Einbahnstraße.
Jede:r der Teilnehmer:innen konnte nun selbst entscheiden, welche Punkte er/sie davon in die Praxis verstärkt einbaut. Das Fazit: Feedback bzw. Kritik sollte immer angesprochen werden – mit der Schilderung der Beobachtung und der eigenen Gefühle und immer auch mit der Rückfrage „Was hast du in meinen Worten verstanden“. Manchmal ist es aber auch sinnvoll, erst die eigene Stimmung zu reflektieren. Auch hier gilt also eine Mischung aus Klartext und Samthandschuhe. Mit den Worten „Kritik sagt viel über den Kritiker“ gab Frau Brendel den Teilnehmenden zum Schluss noch einen Denkanstoß mit. Denn oftmals stecken in der geäußerten Kritik die eigenen Bedürfnisse und sind damit der Spiegel unserer Selbst.
Frau Dr. Gabriele Albrecht-Andrassy vertiefte im zweiten Workshop: „Altersgemischt, gesund und produktiv im Team arbeiten – ein Selbstläufer?“ noch einmal das Thema aus ihrem Keynote-Vortrag. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, Rückfragen zu stellen und sich offen über Themen wie Altersdiskriminierung, Wertvorstellungen und altersgemischte Teamarbeit auszutauschen. Viele der hier angesprochenen Herausforderungen liefen auf ähnliche Lösungsansätze hinaus. Kommunikation und Führung wurden als zwei wesentliche Faktoren identifiziert, die zum Erfolg oder Misserfolg der Zusammenarbeit unterschiedlicher Generationen beitragen können. Zudem erfordert die Schaffung eines gesunden Miteinanders auf Augenhöhe vor allem eines: Zeit. Doch diese scheint in den meisten Unternehmen knapp bemessen zu sein. Wenn es mal wieder heißt „dafür haben wir keine Zeit“, sollte man sich vielleicht die Frage stellen: „Was ist der Preis, wenn wir keine Zeit haben? Und was ist der Preis, wenn wir uns die Zeit nehmen?!“ Mit diesem Denkanstoß wurden die Teilnehmenden in den nächsten Workshop entlassen.
Auszubildende motivieren – aber wie? Diese Frage stand im Mittelpunkt des dritten Workshops. Moderiert wurde die Runde von Herrn André Nagler (RKW GmbH) und Herrn Frank Demmler (Autoservice Demmler). Zum Einstieg wollten die beiden von ihren Workshop-Teilnehmenden erfahren, warum sich deren Auszubildende genau für ihr Unternehmen entschieden haben und was die Ausbildung in ihrem Haus besonders macht. Neben Praktika und Schnuppertagen wurden vor allem Entwicklungsmöglichkeiten, abwechslungsreiche Tätigkeiten, regionale Nähe und ein (krisen-)sicherer Arbeitsplatz als Gründe für die Entscheidung von Auszubildenden benannt. Herr Nagler betonte, dass es wichtig ist, die Stärken des eigenen Unternehmens zu kennen, um diese gezielt bei der Suche nach Auszubildenden einzusetzen. Das RKW-Kompetenzzentrum Eschborn hat genau dafür das Azubimarketing-Haus erstellt:
Diese Darstellung verdeutlicht, welche Aspekte berücksichtig werden sollten, wenn man geeignete Auszubildende für das eigene Unternehmen finden möchte. Ist der Ausbildungsvertrag unterschrieben, ist das Azubimarketing allerdings noch nicht beendet. Wer seine Auszubildenden motivieren und langfristig im Unternehmen halten möchte, sollte hier weiter aktiv bleiben. Eine gute Möglichkeit bieten Azubi-Projekte, bei denen die Auszubildenden eigene Ideen verwirklichen und Verantwortung übernehmen können. Herr Nagler benannt hier beispielhaft das Förderprojekt Digiscouts®. Auch Herr Demmler unterstützt seine Ausbildenden in verschiedenen Projekten. Beispielsweise in Form einer Rumänienreise nach Siebenbürgen, die mit wohltätigen Hilfsprojekten verbunden wird. Abschließend gab Herr Nagler den Teilnehmenden noch ein paar Tipps mit auf den Weg, warum es sich als Unternehmen lohnt, über Azubimarketing nachzudenken:
- Attraktiver als Arbeitgeber werden (nach innen und außen)
- die Zielgruppe passgenauer ansprechen
- die Chancen erhöhen, Bewerbungen zu erhalten
- … und damit seine Ausbildungsplätze (passender) besetzen zu können
Nach den spannenden Workshops fanden sich die Teilnehmenden kurz vor 16 Uhr zum großen Finale im Sachsensaal ein. Unser Moderator Herr Schlegel fasst kurz zusammen, was bisher geschehen war und fing einige Stimmen aus dem Publikum ein:
„Tolle Veranstaltung. Ich konnte mir viel mitnehmen.“
„Ein hervorragender Key-Note-Vortrag“
„Der Austausch mit den anderen Teilnehmenden hat mir besonders gut gefallen.“
„Es wurden neue Perspektiven eröffnet und man sieht die Dinge jetzt anders.“
„Eigentlich sollten solche Schulungen regelmäßig in allen Unternehmen und für alle Mitarbeitenden stattfinden. So können alle etwas dazulernen“
Zur großen Freude aller Beteiligten war das Feedback durchweg positiv und es hieß: Daumen hoch!
Mit diesen tollen Rückmeldungen ging ein spannendes BGFZ.Forum zu Ende.
Hier finden Sie die Präsentation der Veranstaltung zum kostenfreien Download.
Das Team der BGF-Koordinierungsstelle Zwickau bedankt sich bei allen Unterstützer:innen und Teilnehmenden, die zum Erfolg dieser Veranstaltung beigetragen haben.
Wir freuen uns schon auf das BGFZ.Forum im nächsten Jahr!
Doch auch in der Zwischenzeit sind wir gern für Sie und Ihre Anliegen da.
Schauen Sie doch mal bei unserer wöchentlichen bewegten Pause oder den monatlichen Online-Austauschrunden BGFZ.Live vorbei! Auch für individuelle Beratungen rund um das Thema betriebliche Gesundheitsförderung stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.