Rückblick auf die BGFZ.live Onlineveranstaltung: Sucht am Arbeitsplatz – Prävention statt Krise
Am 26. November 2024 fand die BGFZ.live Veranstaltung „Sucht am Arbeitsplatz: Prävention statt Krise – Wie Unternehmen vorbeugen können“ statt.
In diesem Austauschformat wurde eindrucksvoll vermittelt, wie groß der Einfluss von Suchtverhalten auf den Arbeitsalltag sein kann – und wie Unternehmen durch gezielte Prävention nicht nur Krisen vermeiden, sondern auch eine gesunde und vertrauensvolle Unternehmenskultur fördern können. Die Teilnehmenden diskutierten mit unserem Referenten Herrn Michael Wilde (Fach- und Koordinierungsstelle Suchtprävention Sachsen) die Relevanz, Herausforderungen und Chancen betrieblicher Suchtprävention.
Die verborgenen Auswirkungen von Sucht am Arbeitsplatz
Sucht ist ein Thema, das oft im Verborgenen bleibt, jedoch immense Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit, das Betriebsklima und die Gesundheit der Mitarbeitenden hat. Es zeigte sich, dass Alkohol mit einem Anteil von 85 bis 90 % weiterhin das häufigste Suchtmittel am Arbeitsplatz darstellt – doch auch Cannabis und digitale Abhängigkeiten gewinnen an Relevanz.
- Jede/r 10. Mitarbeiter*in in einem Unternehmen betreibt einen riskanten oder gar schädlichen Suchtmittelkonsum (Fehlzeitenreport, AOK 2013)
- Auszubildende mit problematischem Substanzkonsum brechen ihre Ausbildung häufiger ab (Montag et al 2015)
- 10-30% aller Arbeitsunfälle sind auf Alkohol- und Drogenmissbrauch zurückzuführen (Tielking 2013)
Besonders besorgniserregend ist, dass viele Betroffene ihre Problematik erst sehr spät selbst wahrnehmen. Dies erfordert einen sensiblen, aber bestimmten Umgang seitens der Unternehmen. Vor allem ab einem riskanten Konsum sollten offene Gespräche geführt und Unterstützung angeboten werden.

Die gesellschaftlichen und betrieblichen Tabus erschweren jedoch eine offene Auseinandersetzung mit dem Thema. Oft sind in der Gesellschaft mehr Rechtfertigungen nötig, wenn man Alkohol ablehnt, als wenn man ihn konsumiert. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen aktiv Strukturen schaffen, um Probleme frühzeitig zu erkennen und zu handeln.
Prävention als Verantwortung und Chance
Die Teilnehmenden waren sich einig: Betriebliche Suchtprävention ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern eine Chance, Offenheit und Sicherheit innerhalb des Teams zu fördern. Eine zentrale Erkenntnis des Workshops war, dass Prävention nur durch klare Strukturen und Regelungen erfolgreich sein kann, wie beispielsweise:
1. Prävention als struktureller Bestandteil der Unternehmenskultur
- Klare Regelwerke und Vereinbarungen:
Dienstvereinbarungen zur Suchtprävention, die beispielsweise den Umgang mit Alkohol auf Betriebsfeiern oder die Vorgehensweise bei Verdachtsfällen regeln, sind essenziell: klare Regelungen für Suchtmittel am Arbeitsplatz & Interventionsleitfäden bei Verstößen, konkreter Bezug zu Risikogruppen wie Azubis. - Verwenden Sie in Regelwerken den Wortlaut „Alkohol und allgemeine Suchtmittel“, damit auch Cannabis eingebunden wird.
- Verankerung von Punktnüchternheit:
Die Forderung nach Nüchternheit während der Arbeitszeit ist eine grundlegende Sicherheitsmaßnahme und stärkt zugleich das Vertrauen in betriebliche Werte.
2. Unterstützung durch Schulung und Beratung
- Sensibilisierung von Führungskräften und Mitarbeitenden:
Workshops und Schulungen helfen, Suchtverhalten frühzeitig zu erkennen und konstruktiv darauf zu reagieren. Besonders betont wurde, dass Führungskräfte in ihrer Vorbildfunktion eine entscheidende Rolle spielen. - Externe Unterstützung nutzen:
Die Zusammenarbeit mit regionalen Suchtberatungsstellen, Fachstellen oder Berufsgenossenschaften ermöglicht professionelle Begleitung und entlastet Unternehmen in akuten Fällen.
3. Prävention als gelebte Praxis – Praxisbeispiele aus Unternehmen
- Einführung eines strukturierten Interventionsleitfadens, der Mitarbeitenden und Führungskräften Orientierung in Konfliktsituationen bietet.
- Förderung der Gesundheitskompetenz durch Programme wie „Fit ohne Sucht“ oder betriebliche Gesundheitsangebote, die Mitarbeitende aktivieren und die Zusammenarbeit stärken.
Praktische Impulse aus der Diskussion
Ein wesentlicher Schwerpunkt lag auf der Frage, wie Führungskräfte und Mitarbeitende auf mögliche Suchtprobleme reagieren können, ohne stigmatisierend zu wirken. Hier einige wichtige Impulse:
- Frühe Anzeichen erkennen: Veränderungen im Verhalten oder auffällige Gerüche können erste Hinweise auf ein Problem sein.
- Ansprache mit Fingerspitzengefühl: Eine offene, aber nicht wertende Kommunikation ist entscheidend. Wichtige Leitfrage: „Was spricht aus meiner Haltung heraus für oder gegen das Ansprechen?“
- Verantwortung mit klaren Grenzen: Letztlich liegt die Verantwortung für den Umgang mit der eigenen Sucht beim Betroffenen selbst. Unternehmen können jedoch Rahmenbedingungen schaffen und Unterstützung anbieten.
Ein weiteres spannendes Thema war der Umgang mit gesellschaftlichen Normen, etwa bei Geburtstagsfeiern im Büro.
Fazit: Prävention statt Krise
Der Workshop verdeutlichte, dass betriebliche Suchtprävention weit mehr als Krisenmanagement ist. Sie ermöglicht es Unternehmen, ein gesundes, sicheres und respektvolles Arbeitsumfeld zu schaffen.
Drei zentrale Handlungsempfehlungen für Unternehmen:
- Klare Regelwerke und Strukturen schaffen (z. B. Dienstvereinbarungen zur Suchtprävention)
- Mitarbeitende und Führungskräfte sensibilisieren und schulen
- Fachliche Unterstützung einholen, z. B. durch externe Beratungsstellen
- Sucht als Thema in das betriebliche Gesundheitsmanagement integrieren

Wenn Sie mehr über betriebliche Suchtprävention erfahren oder gezielt Unterstützung erhalten möchten, werfen Sie einen Blick auf die Ressourcen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) oder besuchen Sie regionale Suchtberatungsstellen, wie unter suchthilfe-sachsen.de.
Für Fragen zu rechtlichen Aspekten bietet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) wertvolle Hinweise, insbesondere im Kontext der Cannabis-Legalisierung: Publikation der DGUV.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden und freuen uns auf weitere spannende Diskussionen bei künftigen Veranstaltungen!