Praxisbeispiel: Betriebliche Gesundheitsförderung bei der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. in Werdau – 37 Einrichtungen und ein gemeinsames Ziel vor Augen

„Man kann als Mitwirkender Teil eines Ganzen sein und so die Gesundheit Hand in Hand stärken. So wie unsere Mitarbeiter:innen für ihre Klienten da sind, so möchten wir auch die Gesundheit unserer Mitarbeiter:innen fördern“, berichtete Frau Elisabeth Borbe von der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V.

Die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. gibt es seit 1991 in den Landkreisen Zwickau und Vogtland. Die JUH beschäftigt insgesamt rund 600 hautamtliche und circa 220 ehrenamtliche Mitarbeitende. Über alle Standorte in den beiden Landkreisen verteilt befinden sich 37 Einrichtungen mit unterschiedlichen Bereichen. Hinunter fallen Kindertagesstätten, Pflegedienste, Rettungsdienste, Fahrdienste, Hausnotruf und Einsatznotrufdienst, Kassenärztlicher Bereitschaftsdienst, Flüchtlingshilfe und auch der Verwaltungsbereich.

Wir als BGF-Koordinierungsstelle Zwickau begleiten die Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. schon seit Längerem beim Aufbau einer betrieblichen Gesundheitsförderung und möchten mit diesem Praxisbeispiel zeigen, was in den vergangenen Monaten geschaffen wurde und wie betriebliches Gesundheitsmanagement inzwischen bei den Johannitern gelebt wird. Im Interview sprachen wir mit Elisabeth Borbe von den Johannitern Regionalverband Zwickau/Vogtland.

 

Möchtest du dich kurz vorstellen?

Mein Name ist Elisabeth Borbe und ich arbeite seit November 2020 bei den Johannitern im Verwaltungsbereich. Ich habe eine Ausbildung zur BGM-Managerin absolviert und unterstütze im Bereich der betrieblichen Gesundheit bei uns Johannitern. Meine Kolleginnen Ines Wunderlich und Katja Böwe sind ebenfalls als Team mit mir gemeinsam für die gesundheitlichen Belange unserer Mitarbeitenden verantwortlich. Seit November 2022 übernehme ich zudem Aufgaben im Bereich der Kommunikation.

 

Wann und warum habt ihr begonnen, euch mit dem Thema betriebliche Gesundheit – bei den Johannitern näher zu beschäftigen? Was war der ausschlaggebende Punkt?

Gesundheit und speziell die betriebliche Gesundheit ist bundesweit seit 2022 im jährlichen Jahresbrief der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. verankert. Das heißt, es existiert eine Unternehmensleitlinie für das Thema Gesundheit, welche stetig weiterverfolgt werden soll. Die konkreten Anregungen zur Einführung eines ganzheitlichen betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) wurden von unserem Regionalvorstand sowie von unserer Mitarbeitervertretung eingebracht. Mit der Schaffung einer neuen Stelle im Personalbereich sollte ein BGM nachhaltig aufgebaut werden.

 

Womit habt ihr im Bereich BGM konkret begonnen? Was war der erste Schritt?

Ganz zu Beginn stand eine detailliere Bestandsaufnahme unseres Vorhabens hinsichtlich der Krankenstatistik, der Altersstruktur und der Fluktuation. Zusätzlich haben wir eine Befragung über alle Einrichtungen hinweg durchgeführt, um Probleme, Belastungen und Herausforderungen sowie Wünsche und Bedarfe der Mitarbeitende abzufragen. Natürlich auch mit dem Ziel, konkrete Maßnahmen abzuleiten. Hierfür haben wir die AOK PLUS als Kooperationspartner gewonnen, welche mit uns gemeinsam die Befragung konzipierte und durchführte. Die Ergebnisse der gesamten Bestandsaufnahme wurden dann im nächsten Schritt den Führungskräften im Vorstand und den Bereichsleitungen vorgestellt. Hieraus entwickelten wir gemeinsame Ziele und sensibilisierten die gesamte Führungsebene für das Thema betriebliche Gesundheit.

Aufgrund der Größe und der territorialen Aufteilung unseres Verbandes wollten wir das BGM auf mehrere Schultern verteilen und intern eigene Mitstreitenden für unser „Projekt BGM“ gewinnen, welche an der Ideenfindung mitwirken und sich an der Umsetzung von Maßnahmen beteiligen. Daher wurde ein Steuerkreis Gesundheit gebildet. Hier wurde zur freiwilligen Beteiligung aufgerufen, um aus jedem Bereich und den unterschiedlichen Standorten Vertretende zu haben, die an der Basis arbeiten.

 

Wie habt ihr eure Mitglieder im Steuerkreis Gesundheit zur Mitwirkung motivieren können?  Gab es dabei Herausforderungen?

Zunächst wurden die Bereichs-, Team- und auch die Einrichtungsleiterinnen und -leiter für das Thema BGM sensibilisiert. Die Leitenden streuten die Informationen in ihren Bereichen. Es wurde auf die Wichtigkeit des Steuerkreises hingewiesen und deutlich gemacht, dass hier selbst etwas in die Hand genommen werden kann. Der Steuerkreis leistet damit einen wichtigen Beitrag für Veränderungen. Man kann als Mitwirkender Teil eines Ganzen sein.

Doch das war uns nicht genug – wir wollten noch weitere Mitarbeitende damit erreichen. Dies gestaltete sich allerdings schwierig. Eine aktive Mitarbeit im Steuerkreis war die Herausforderung, denn die meisten Mitarbeitenden brachten gern Wünsche und Vorschläge ein, aber scheuten sich vor einer Beteiligung bei der konkreten Umsetzung. Daher war eine gezielte Ansprache in den Einrichtungen erforderlich. Es kommt also auf die „richtige“ Kommunikation an. Schlussendlich haben wir eine gute Mischung aus den Bereichen in unserem Steuerkreis vertreten und mit rund 20 Teilnehmenden eine gute Anzahl an Freiwilligen gefunden.

Anfänglich haben wir uns monatlich getroffen, um ins Tuen zu kommen und die ermittelten Bedarfe in Maßnahmen zu realisieren. Inzwischen treffen wir uns quartalsweise.

 

Was ist euer Ziel für das BGM und wie kommt ihr dahin?

Eines unserer großen Ziele ist insbesondere die Stabilisierung unserer Personalstruktur, also Krankenstände senken und auch die Fluktuation verringern. Das ist natürlich eher ein langfristiges Ziel. Teilziele daraus sind vor allem die Sensibilisierung unserer Mitarbeitenden zum Thema Gesundheit, um sie als Arbeitskraft langfristig zu halten. Aber auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Mitarbeiterbindung und -gewinnung gehen damit einher. Wir möchten als Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. natürlich ein attraktiver Arbeitgeber sein und nicht nur für unsere Klienten da sein, sondern eben besonders auch für die Gesundheit unserer Mitarbeitenden. 

Erreichen wollen wir diese Ziele durch die regelmäßigen Absprachen in unserem Steuerkreis und die gemeinsame Ideenfindung im Team.

 

Habt ihr dabei externe Unterstützung oder meistert ihr alles intern selbst?

Natürlich machen wir das was möglich ist mit unseren internen Mitarbeitenden gemeinsam. Aber wie bereits erwähnt, haben wir uns auch externe Unterstützung geholt. Zum einen unterstützt uns die AOK PLUS bei den Erhebungen zur Krankenstandsanalyse. Zudem hat sie mit uns gemeinsam Weiterbildungen für die Mitarbeitenden organisiert, darunter die „Ergochoaches“ und Kinäthetikschulungen. Weiterhin unterstützt uns die AOK PLUS bei der Umsetzung von Arbeitsplatzanalysen. Neben der Krankenkasse begleitet uns auch die BGFZ-Koordinierungsstelle Zwickau. Sie moderiert unseren Steuerkreis und bringt wissenswerten Input in unsere Runden. Zudem haben wir mit der BGF-Koordinierungsstelle Zwickau eine Schulungsreihe für unsere Führungskräfte „Gesundes Führen“ organisiert, um auch die Führungseben für die Wichtigkeit von Gesundheit zu sensibilisieren, damit sie als Vorbilder fungieren.

 

Welche Maßnahmen habt ihr, neben den bereits genannten, bisher schon umgesetzt?

  • Regelmäßige Treffen des Steuerkreises
  • Workshop-Reihe „Gesundes Führen“ für unsere Führungskräfte
  • Ausbildung von Ergocoaches und Kinästethikschulungen in der Pflege
  • Arbeitssituationsanalysen im Rettungsdienst und dem Fahrdienst mit Ableitung und Maßnahmen
  • Gesundheitstage
  • kostenlose Wasserversorgung in allen Einrichtungen
  • monatliche Obstlieferung in jede Einrichtung
  • Einführung i-gb Card mit Bonussystem für Gesundheitsaktivitäten
  • jährliche anonyme Krankenstandsanalyse zur Erfassung von Diagnosen und Belastungen pro Bereiche
  • Planung von Teamevents
  • Job-Bike
  • interner BGM-Newsletter, welcher quartalsweise erscheint

 

Woran arbeitet ihr aktuell? Und was ist noch geplant?

  • Weiterführung der benannten Arbeitssituationsanalysen in weiteren Bereichen:  Kita, Pflege, Hausnotruf und Einsatznotrufdienst, Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst, Flüchtlingshilfe und Verwaltung
  • kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen in allen Bereichen (Optimierung Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz)
  • Konzeption und Durchführung einer psychischen Gefährdungsbeurteilung (GB-Psyche)
  • Weitere Ideen zu Entspannungsmöglichkeiten während der Arbeitszeit

 

Was sind dabei Stolpersteine? Vor welchen Herausforderungen standet ihr bisher?

Die größten Herausforderungen bei der Gestaltung und Umsetzung von BGM sind unsere Struktur, die Größe und die verschiedenen Bereiche des Verbandes. Daher müssen wir immer wieder umdenken und neue Ideen entwickeln, um allen Mitarbeitenden der Bereiche ein umfassendes BGM zu ermöglichen.

Ein weiterer Stolperstein ist die Kommunikation über alle Ebenen hinweg. Die aktuellen Informationen zum BGM müssen über alle Einrichtungen hinweg kommuniziert werden, sonst haben die Mitarbeitenden das Gefühl „Es passiert nichts“ und das führt auf lange Sicht zur Demotivation. Natürlich sind auch die finanziellen Belange immer wieder eine Herausforderung.
Was uns aber zudem noch aufgefallen ist: Die ständige Erwartungshaltung der Mitarbeitenden auf „mehr“ bzw. „Welche Maßnahme kommt als Nächstes?“. Daher muss man als Unternehmen selbst Grenzen ziehen und den Mitarbeitenden das bereits Umgesetzte im BGM wieder vor Augen führen.

 

Was läuft super? Was hat sich bisher schon aus deiner Sicht zum Positiven verändert?

Definitiv unser Steuerkreis. Die Beteiligten tauschen sich immer super aus und gemeinsam mit der Unterstützung der BGF-Koordinierungsstelle finden wir auch gute bedarfsgerechte Ideen. Vor allem das Verständnis für die Teilnehmenden aus den verschiedenen Bereichen ist sehr wertvoll – ohne den Steuerkreis würden wir die Sichtweisen der anderen Bereiche und Einrichtungen nie so erfahren. Zudem hat sich unsere Kommunikation und Informationsstreuung sehr verbessert und auf unterschiedliche Wege ausgeweitet. Durch die Entwicklung unseres BGM-Newsletters werden alle Mitarbeitenden auf dem neusten Stand gehalten und durch die Mitwirkenden im Steuerkreis werden wichtige Informationen ebenfalls in die Masse gestreut. Ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg hin zur ganzheitlichen Gesundheit bei uns Johannitern.

 

Sie sind begeistert von dem Engagement der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. Regionalverband Zwickau/Vogtland im Bereich betriebliche Gesundheit und möchten selbst gern aktiv werden und beispielweise einen Steuerkreis Gesundheit gründen?

Dann zögern Sie nicht um melden Sie sich gern bei uns und kontaktieren Sie uns gern:

Frau M.Sc. Luisa Sieloske (sieloske@atb-chemnitz.de; Telefon: 0371 3695816).